Absturz eines britischen Lancaster- Bombers bei Laichingen

Am späten Abend des 16. März 1945 stürzte ein britischer Viermotoriger Lancaster- Bomber brennend bei Laichingen ab. Er war östlich von Ulm von einem deutschen Nachtjäger abgeschossen worden. Von der siebenköpfigen Besatzung starben 6 Flieger. Der überlebende Bordschütze, ein 19- jähriger Kanadier, wurde beim Absprung mit dem Fallschirm verletzt und kam am nächsten Tag im Widderstall bei Merklingen in Gefangenschaft.

Der Bomber war Teil einer groäen Armada, die zu Angriffen auf Würzburg und Nürnberg gestartet war und befand sich auf dem Rückflug von Nürnberg. Weshalb er trotzdem noch seine Bombenladung an Bord hatte, konnte nicht mehr geklärt werden. Beide Städte waren schwer getroffen worden, aber es wurden auch 30 Lancaster- Bomber abgeschossen.

Trotz der späten Stunde, der Absturz erfolgte kurz nach 22:00 Uhr, gab es in Laichingen einige Augenzeugen, die abends noch an der Absturzstelle im Wassertal, etwa zwei Kilometer nördlich der Stadt, waren. Das Wrack brannte lichterloh, der Feuerschein wurde auch von Merklingen aus noch gesehen. Durch die Hitze explodierte laufend Bordmunition, sodass nicht viel ausgerichtet werden konnte.

Früh am nächsten Morgen, einem Samstag, waren schon einige Jugendliche an der Absturzstelle auf der Jagd nach Plexiglas. Die Bilder der toten Flieger, die sie dort aber zu sehen bekamen, verfolgen manchen bis heute.

Die Flieger wurden auf Anweisung der Nationalsozialisten auäerhalb der Friedhofsmauer begraben. Nachdem US- Truppen im April Laichingen besetzt hatten, lieäen sie das Grab öffnen, um sicherzugehen, dass es sich nicht um Amerikaner handelte. Dann gaben sie Anweisung, die toten Flieger innerhalb des Friedhofs zu bestatten. In den ersten Jahren nach dem Krieg waren drei britische Untersuchungskommissionen in Laichingen, konnten aber die Identität der Toten vor Ort nicht klären. Immerhin bescheinigten sie dem Grab mit der Inschrift „Hier ruhen 6 unbekannte englische Flieger“ einen guten Zustand. Auch in Merklingen kamen sie mit dem überlebenden Flieger nicht weiter. „Es war nicht möglich, seinen Namen festzustellen“.

Im August 1948 kamen die Briten erneut und holten die toten Flieger ab. Die Bürger in Laichingen gingen davon aus, dass diese in ihre jeweiligen Heimatländer überführt wurden. Bald schien der Bomber und seine Besatzung in Vergessenheit zu geraten.

In jener Nacht waren aber Tausende von Menschen verschiedener Nationen gestorben. Deutsche, Engländer, Kanadier, Australier und einige aus anderen Nationen. Jeder von Ihnen hat eine Lücke hinterlassen. Diese Lücken wirken bis in die Nachkriegsgenerationen hinein. Nur so ist es zu erklären, dass völlig unabhängig voneinander Angehörige der bei den in Laichingen abgestürzten Fliegern versuchten, mehr über die Ereignisse in jener Nacht herauszufinden. In Deutschland war ebenfalls jemand auf der Suche, der vor 50 Jahren erstmals von dem Absturz gehört hatte. Als Achtjährigem war es für ihn unvorstellbar, dass ein riesiges Flugzeug von weit her kommt, abstürzt, Flieger dabei sterben und niemand kennt ihre Namen oder weiä von wo sie kamen. In mehrjähriger Suche war es dann gelungen, die Namen, Gesichter und mehr über die Flieger und das Flugzeug zu erfahren. Selbst der einzige überlebende des Absturzes konnte gefunden werden. Er lebt in Kanada und ist heute 89 Jahre alt.

Im Frühjahr 2015, kurz nachdem sich der Absturz zum 70. Mal jährte, gelang es dann, in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein Laichinger Alb, Angehörigen der toten Flieger den Ort des Absturzes zu zeigen und ein Zusammentreffen mit Augenzeugen von damals zu ermöglichen. Das war für sie derart wichtig, dass sie Kosten und weite Wege auf sich nahmen. Sie kamen aus England und Kanada nach Laichingen. Aus terminlichen Gründen war das leider nur zeitversetzt mit zwei Besuchen realisierbar. Angehörige des Piloten kamen bereits Mitte März aus Kanada, die britischen Besucher kamen dann in der ersten Aprilwoche.

Für alle Besucher gab es durch Bürgermeister Kaufmann einen freundlichen Empfang im Namen der Stadt Laichingen. Anderntags wurde der Friedhof in Laichingen besucht und anschlieäend erfolgte das Zusammentreffen von Augenzeugen, Angehörigen, Mitgliedern des Geschichtsvereins und einigen Interessierten an der Absturzstelle. Es waren insgesamt beinahe 30 Menschen, die dort zusammenkamen und teils sehr emotionale Momente erlebten. Dass zu der Zeit ein heftiger, orkanartiger Sturm mit Kälte und reichlich Regen über die Alb fegte, schien niemanden zu stören. Es gab viel zu fragen und zu besprechen. Der Höhepunkt war, als Herr Dr. Schanbacher vom Geschichtsverein eine provisorische Gedenktafel in der Nähe der Absturzstelle enthüllte. Diese erinnert an die toten Flieger und die in jener Nacht in Nürnberg ums. Leben gekommenen Menschen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es nachmittags im Gemeindehaus Alban Plus in Laichingen weiter, wo die Ergebnisse der Suche vorgetragen wurden. Abends fand die Veranstaltung ein würdiges Ende mit einem Gedenkgottesdienst durch Pfarrer Gruhler mit Dank für 70 Jahre Frieden, der teils in englisch abgehalten wurde.
Am folgenden Tag, es lag wieder Schnee, besuchte einer der Gäste mit seiner Frau den Militärfriedhof, auf den die Flieger 1948 überführt worden waren. Er liegt bei Dürnbach am Tegernsee. Die anderen Angehörigen waren bereits in früheren Jahren dort gewesen.

Leider war bereits am nächsten Tag auch für die zweite Gruppe der Tag der Abreise gekommen. Sie lieäen kleine Geschenke für die Stadt Laichingen zurück und bedankten sich mit folgenden, hier ins Deutsche übersetzten Zeilen, denen nichts mehr hinzugefügt werden kann:
„Ich will Danke sagen. Eure Freundlichkeit und Gastfreundschaft haben uns überwältigt. Die Aufmerksamkeit, die Ihr der Geschichte unserer Familien gewidmet habt, hat uns sehr viel bedeutet. Nun wissen wir, dass sie für immer sicher sind.“
Penny Jackson (Nichte von Jim Jackson)
„Dass wir alle zusammengekommen sind war das Ergebnis von Verlust und Leiden. Und aus unserem gemeinsamen Leiden erwuchs ein Verlangen nach Wissen und Verständnis. Wir sind uns sicher, dass durch dieses bewegende Zusammentreffen dauerhafte Freundschaften entstanden sind und wir, als Familienvertreter von NN 758 würden uns gerne bei Werner Salzmann, dem Laichinger Geschichtsverein und den Menschen von Laichingen ganz herzlich bedanken.“
Jill Snell (Nichte von Stan Hickey)
Gary D. Thomas (Cousin von George Blackshaw)
Diana Harris (Nichte von Jim Jackson, Pennys Schwester)
„Vor dem Hintergrund der Sinnlosigkeit des Krieges und den persönlichen Tragödien, die er brachte, haben wir unerwartete Momente des Mitgefühls, das Verlangen, das gröäere Bild zu sehen und wahre Freundschaft erfahren. Hierfür danke ich von ganzem Herzen.“
David (Lebenspartner von Diana)

Die Besatzung Bild: Jill Snell Die Besatzung, von links nach rechts Albert B. F/S 19 Jahre Kanada Bordschütze, überlebte verletzt James Stanley Hickey F/S 22 Jahre West Kensington Funker Alastair C. Watt F/L 21 Jahre Merrickville, ON, Kanada Pilot James Frederick Jackson Sgt 20 Jahre Thornaby-on-Tees, Yorkshire Bordmechaniker Albert Edward Wotherspoon F/S 21 Jahre Langenbury, Saskatchewan, Kanada Heckschütze Navigator, ist vor dem ersten Einsatz gesundheitsbedingt abgelöst worden. William Henry Fetherston F/S 20 Jahre Toronto, ON, Kanada Bombenschütze George William Blackshaw F/S 23 Jahre Liverpool Navigator
George Blackshaw ist vor dem ersten Einsatz zur Besatzung gestoäen und hat alle Einsätze mitgeflogen F/L= Flight Lieutenant (Hauptmann), F/S = Flight Sergeant (Oberfeldwebel), Sgt= Sergeant (Feldwebel)